Am Sonntag, dem 23. November 2008, feierte die ukrainische orthodoxe Gemeinde in Genk ihr 60. Jubiläum. Zu der Festveranstaltung kam aus den USA Bischof Daniel im Auftrag Seiner Seligkeit Erzbischof Konstantyn, des Metropoliten der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in der Diaspora.
Die Ortsgemeinde, Gäste aus England und Deutschland, von der Gemeinde Düsseldorf sowie offizielle Gäste versammelten sich vor der Kirche, um Bischof Daniel nach unserem alten Brauch mit Brot und Salz zu empfangen. Kinder überreichten Blumen und Gemeindevorsteher Erzpriester Vitalij Derewianka begrüßte den hochgeweihten Bischof Daniel am Eingang zur Kirche.
Um 10.30 Uhr begann die Heilige Göttliche Liturgie, die von Bischof Daniel zelebriert wurde. Ihm assistierten der Gemeindevorsteher Erzpriester Vitalij, Erzpriester Bohdan Matwijtschuk und Mitrofor-Erzpriester Dmytro Nediltschak aus England sowie Mitrofor-Protopresbyter Anfir Ostaptschuk aus Deutschland, Vorsteher der Gemeinde Düsseldorf. Nach der Heiligen Liturgie wurde eine Bittmesse zum Heiligen Erzengel und Archistrategen Michael zelebriert.
Zur feierlichen Gebetsstimmung trug der melodische Gesang des überwiegend aus Belgiern und den Mitgliedern der Familie Derewianka bestehenden Kirchenchores unter Leitung von Sascha Tennisen bei. Nach den Gottesdiensten dankte Vater Vitalij in seinem Grußwort allen Anwesenden für ihre Teilnahme an dem Patronatsfest. Ein Grußwort an die Gemeinde richtete auch der Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Genk, Herr Wim Dries.
Gedenken an die große Hungersnot in der Ukraine - Holodomor
Zum 75. Jahrestag des Holodomors, einer vom stalinistischen Regime künstlich herbeigeführten Hungersnot von 1932-1933, hat Bischof Daniel zusammen mit den Geistlichen vor dem Mahnmal, das neben der Kirche von der Gemeinde im Jahr 2003 errichtet wurde, eine Totenmesse zelebriert. Von der Botschaft der Ukraine im Königreich Belgien wurden Blumen niedergelegt. Botschaftsrat Oleksandr Moroz verlas eine Botschaft des Präsidenten der Ukraine Wiktor Juschtschenko.
Nach Angaben ukrainischer Historiker hat die große Hungersnot in der Ukraine sieben bis zehn Millionen Menschen das Leben gekostet. Die ukrainische Staatsführung sieht darin einen bewussten Völkermord. Viele Staaten haben bereits den Holodomor als Genozid gegen das ukrainische Volk anerkannt. Das EU-Parlament hat am 23. Oktober in einer Resolution die von den sowjetischen Behörden künstlich hervorgerufene Hungersnot als "schreckliches, gegen das ukrainische Volk und gegen die Menschlichkeit begangenes Verbrechen" anerkannt. Während der Gottesdienste arbeitete ein Fernsehteam des Ersten Kanals des Ukrainischen Rundfunks.
Die St. Michael-Kirche und die Gemeinde in Genk
Die Gründer der Gemeinde waren Arbeiter mit Familien, die im April 1947 mit einem Eisenbahntransport aus dem Lager Cornberg in der amerikanischen Besatzungszone im Nachkriegsdeutschland in die belgische Provinz Limburg gebracht wurden. Sie wurden in der Bergarbeiter-Siedlung im Bezirk Zwartberg der Stadt Genk angesiedelt und arbeiteten in den Kohlegruben. Sie waren ihres urväterlichen orthodoxen Glaubens bewusst und gingen gleich daran, ihr Gemeindeleben neu zu organisieren, trotz vieler Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten. In einer ihnen zugeteilten Baracke richteten sie eine Kirche ein, in der eine längere Zeit die Gottesdienste abgehalten wurden. Die Zeit verging und die Baracke begann allmählich zu verfallen, und überhaupt stelle sich die Frage nach der weiteren Existenz der Gemeinde, weil die Kirche abgerissen werden sollte. Die Gemeinde suchte nach einer Lösung. So entstand der Plan für den Bau einer neuen Kirche, dessen Initiatorin und treibende Kraft Frau Frida Derewianka, die Ehegattin des Priesters Vitalij Derewianka war.
Dieser kühne Plan für den Kirchenbau wurde von den Bischöfen auf dem Konzil im September 1978 in London gebilligt und unter das Zeichen des Millenniums der Christianisierung der Rus’-Ukraine gestellt. Aus Spenden der ukrainischen Gemeinschaft in der Freien Welt, mit dem Einsatz eigener Gemeindemitglieder, mit der Unterstützung der Gläubigen anderer Konfessionen und der Behörden vor Ort wurden Kirche und Gemeindezentrum vollendet und am 24. August 1986 feierlich geweiht und unter den Schutz des Heiligen Erzengels und Archistrategen Michael gestellt. Die Weihungs- und Eröffnungsfeiern wurden mit dem Segen des Metropoliten Mstyslaw von den Erzbischöfen Konstantyn aus Chicago, USA, und Anatolij, dem damaligen leitenden Bischof in Westeuropa mit Sitz in Neu-Ulm, Deutschland, geleitet. Hohe Vertreter der Kirchen und Zivilbehörden, zusammen mit einer großen Zahl von Gläubigen, wohnten den Feierlichkeiten bei. Zu ihnen zählte auch der in Paris residierende Bischof der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche Hryntschyschyn.
Die St. Michael-Kirche in Genk ist ein Ausdruck der Verbundenheit der Ukrainer in der Diaspora mit ihrer Heimat. Sie ist das einzige im ukrainischen Stil gebaute Gotteshaus der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in Westeuropa.
Nach den langen Gottesdiensten versammelten sich die Teilnehmer in den warmen gemütlichen Räumen der beiden Nebengebäude zur Stärkung und zum freundschaftlichen Beisammensein. Es war kalt draußen und am späten Nachmittag begann es schon zu schneien.