Die Bewohner der Beckhof-Siedlung in Bielefeld-Sennestadt feierten am 14. September 2008 ihr 50-jähriges Bestehen.
Im Jahre 1958 fanden dort ihr neues Zuhause etwa 300 Flüchtlinge aus osteuropäischen Ländern, die nach Kriegsende 1945 aufgrund des Jalta-Abkommens in ihre Heimatländer zurück mussten, sich aber wegen Verfolgung ihrer nationalen, religiösen und politischen Überzeugungen weigerten. Dazu zählten auch solche, die während des Zweiten Weltkrieges als Zwangsarbeiter in der deutschen Landwirtschaft und in den Betrieben der deutschen Rüstungsindustrie beschäftigt waren. Die meisten Bewohner kamen aus dem Lager Augustdorf bei Detmold mit Baracken auf dem ehemaligen Wehrmachtsgelände. Dort lebten Anfang der 1950er Jahre rund 2000 Flüchtlinge aus osteuropäischen und baltischen Ländern. Viele von ihnen wanderten nach USA, Kanada, Australien und in die westeuropäischen Länder aus. Ein Teil der arbeitsfähigen Menschen wurde in die deutsche Wirtschaft eingegliedert. Geblieben waren alte, kranke Menschen, Mütter mit Kindern, Kriegsversehrte, die einer besonderen Fürsorge bedurften. Zur Hilfe kamen die von Bodelschwinghschen Anstalten, Bethel in Bielefeld.
Für diese Menschen wurde eine Siedlung auf dem Grundstück des alten Bauernhofes Beckhof errichtet, von dem sie auch ihren Namen erhalten hat. Neben Wohngebäuden mit Zwei- und Dreizimmerwohnungen wurden ein Altersheim und modern eingerichtete Werkstätten „Frohes Schaffen“ errichtet, in denen die Bewohner, gesunde und kranke, Arbeit fanden und Lohn erhielten.
Im Jahre 1962 wurde die Beckhof-Kirche mit je einem Raum für die Gemeinden der evangelisch-lutherischen Esten und Letten, der orthodoxen Russen und Serben, der römisch-katholischen Polen, der orthodoxen sowie der griechisch-katholischen Ukrainer gebaut. „Unter einem Dach“, schrieb damals Fritz von Bodelschwingh an Wilhelm Gebauer, den Gründer der Beckhofsiedlung, „können nun die drei großen Konfessionen, jede nach ihrer Weise, demselben Herrn der Kirche dienen. Das durch so viel Not hindurchgerettete geschichtliche Erbe wird hier weitergepflegt.“ Die Höhepunkte des kirchlichen Lebens waren die ökumenischen Gottesdienste.
Die 50-Jahrfeier begannen mit Gottesdiensten in den einzelnen Kirchenräumen. Die Heilige Liturgie für die ukrainisch-orthodoxe Gemeinde zelebrierte Erzpriester Anfir Ostaptschuk aus Bergisch Gladbach. Im Altar betete der Pfarrer der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde Myron Molczko. Im evangelischen Gottesdienst predigte Pastor Ulrich Pohl, Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel.
Nach den Gottesdiensten trafen sich die Geistlichen zu einem gemeinsamen Bild: ukrainsch-katholischer Priester Myron Molczko, Pastor Ulrich Noetzel, Enkel des Beckhof-Gründers Gebauer, Bethel-Leiter Pastor Ulrich Pohl, ukrainisch-orthodoxer Erzpriester Anfir Ostaptschuk.
Bei dem Festakt begrüßten Pastor Pohl und der Vorsitzende des Fördervereins der Beckhofsiedlung und Beckhofgemeinschaft Artur Herrmann zahlreiche Gäste. Unter ihnen waren der stellvertretende Bezirksvorsteher Heinrich Brinkmann und Bezirksamtsleiter Detlef Schäfer.
Der Historiker Hans-Jörg Kühne stellte sein Buch über die Beckhofsiedlung mit dem Titel „Herausforderung Migration“ vor. Dabei hob er hervor, dass das Thema weiterhin aktuell bleibt.
Zum Abschluss fand ein gemeinsames ökumenisches Gebet statt. Umrahmt wurde die Feier mit Folkloredarbietungen und einem Angebot internationaler kulinarischer Gerichte. Dabei fehlten auch nicht die ukrainischen Maultaschen „Varenyky“.